E-Learning – Neue Kompetenzen für Trainer

Eine wachsende Zahl von Unternehmen nutzt die moderne Informations- und Kommunikationstechnik, um E-Learning Konzepte in der Organisation zu etablieren. Das stellt neue Anforderungen an Trainer oder berufserfahrene Spezialisten, die Mitarbeiter bislang nebenbei in Präsenzseminaren geschult haben. Denn für das Erstellen von Webinaren oder anderen digitalen Lernformen brauchen sie völlig neue Kompetenzen.

Gute E-Learning bzw. Blended-Learning Konzepte sparen nicht nur (Arbeits-)Zeit und Geld. Der Lernbedarf ist in vielen Organisationen heute aufgrund der rasanten Veränderungen so groß, dass er mit Präsenzseminaren allein nicht mehr befriedigt werden kann und das Lernen somit integraler Bestandteil der Alltagsarbeit werden muss. Darüber hinaus sind die Lern- und Entwicklungsbedarfe der Mitarbeiter heute oft so verschieden, dass sie sich mit einer zentral geplanten Personalentwicklung nur noch bedingt managen lassen.

Dieser Trend zum E-Learning wird sich laut „Global Insight“ fortsetzen. Marktbeobachter erwarten demnach, dass sich die Ausgaben der Unternehmen für E-Learning von 190 Milliarden US-Dollar im Jahr 2018 auf 300 Milliarden Dollar im Jahr 2025 steigern werden. Insbesondere die jungen Leistungsträger in den Unternehmen wollen bei der betrieblichen Weiterbildung nicht auf moderne Technik verzichten. Aufgrund ihrer herausfordernden Jobs können sie heute meist nicht mehr sagen: „In zwei Monaten kann ich an einem mehrtägigen Seminar teilnehmen“. Deshalb setzen immer mehr Unternehmen verstärkt auf Webinare statt Präsenzseminare. Denn dadurch entfallen nicht nur Reisezeiten und -kosten. Auch lässt sich auf diese Weise der Lernstoff auf mehrere und dafür kürzere Module aufteilen, die smart in den Arbeitsalltag integriert werden können.

Neues Denken und Handeln gefragt

Das Implementieren von Blended Learning erfordert von allen Beteiligten ein völlig neues Denken und Handeln. Es braucht dazu eine offene Unternehmenskultur, die dieses Lernen der anderen Art und das kollaborative Arbeiten unterstützt. Es braucht die digitale Technik, die für die Umsetzung der neuen Lernmethoden erforderlich ist. Es braucht innovative Seminarkonzepte und eine gelungene Content-Entwicklung. Mit am wichtigsten ist jedoch die Einsicht, dass die Rolle der Trainer und Wissensvermittler völlig neu ausgerichtet werden muss.

Sehr häufig sind Trainer in Unternehmen Führungskräfte auf der operativen Ebene oder berufserfahrene Spezialisten, die zuweilen oder regelmäßig eine Trainerfunktion wahrnehmen, beispielsweise wenn im Unternehmen neue Verfahren eingeführt oder Lösungen für Probleme gesucht werden. Für die meisten firmeninternen Trainer ist das Trainieren oder Coachen also eine Zusatzaufgabe..

Speziell diese Parttime-Trainer fühlen sich ohne eine adäquate Unterstützung oft überfordert, wenn sie künftig ihre Kollegen auch online trainieren und coachen sollen. Denn die Ausarbeitung von Blended-Learning-Angeboten konfrontiert sie mit vielen technischen, methodisch-didaktischen, aber auch (selbst-)organisatorischen Fragen und Problemen, deren Bewältigung zahlreiche völlig neue Skills erfordert. Dies veranschaulicht das folgende Fallbeispiel.

Fallbeispiel: Online-Seminar statt Präsenzseminar

Der firmeninterne Parttime-Trainer ist ein erfahrener Controller. Als solcher schult er auch (neue) Kollegen. Bisher tat der 45-jährige Betriebswirt dies ausschließlich in Präsenzveranstaltungen. Doch nun entscheidet die HR-Abteilung, dass die Wissens- und Kompetenzvermittlung künftig weitgehend mit Blended-Learning-Konzepten erfolgen soll. Das Unternehmen implementiert zu diesem Zweck ein Lernmanagementsystem (LMS). Den Trainer verunsichert diese Entscheidung, denn seine Trainertätigkeit wird sich dadurch stark verändern. Künftig wird er die Lerner nicht mehr persönlich im Seminarraum treffen, sondern mit ihnen mittels PC und Kamera kommunizieren. Was bedeutet das für seine Trainertätigkeit konkret?

  • Seminarplanung und -design: Der firmeninterne Trainer muss sich für seine Seminarinhalte nun Lernziele überlegen und daraus ableiten, welche Inhalte er künftig online vermitteln kann und welche nicht. Zum ersten Mal muss er zudem der HR-Abteilung für jedes Lernmodul ein schriftliches Design vorlegen und sich vorab auf die genaue Abfolge der Inhalte sowie ein bestimmtes methodisches Vorgehen festlegen. Das widerspricht seiner bisherigen Arbeitsweise, bei der er oft situativ über das weitere Vorgehen entschied.
  • Lernplattformen nutzen und Webinare halten: In einem Online-Tutorial lernt der Parttime-Trainer die Lernplattform zu bedienen. Dabei merkt er, dass er sich für das optimale Gestalten von Webinaren auch mit folgenden Fragen befassen muss:
    – Welche Webinar-Plattform ist für das Webinar geeignet (Whiteboard-Funktion, Chat, Umfragetool, Bildschirm teilen usw.) und welche Gestaltungsmöglichkeiten bietet sie?
    – Wie lange sollte ein Webinar dauern?
    – Wie kann ich die Teilnehmer so einbinden, dass sie online bleiben? Sollte zum Beispiel der Chat während des Webinars aktiviert sein?
    Zudem spürt der Trainer, dass ihn das Arbeiten vor einer Kamera ohne direkten Augenkontakt mit den Teilnehmern Überwindung kostet.
  • Vertonte Bildschirmaufnahmen: In dem Online-Tutorial erfährt der Trainer, dass man mit PowerPoint Folien vertonen kann. Zudem ist es möglich, das Kamerabild aufzunehmen. Beim Anschauen der ersten Aufnahmen merkt er, dass er viel zu lang spricht und seine Botschaften zuweilen nicht klar genug formuliert sind. Ihm wird bewusst, dass er sich auch mit Themen wie Videoaufnahme und -schnitt befassen muss. Darüber hinaus muss er die optimale Länge der Lernvideos herausfinden und sich um eine klare und einfache Sprache bemühen.
  • Ansprechende Unterlagen produzieren: Bisher genügten als Seminarunterlage für die Teilnehmer ein Ausdruck der PowerPoint-Folien. Doch diese Infos allein sind für das Selbststudium nicht ausreichend. Also gilt es, zusätzliche schriftliche Unterlagen zu erstellen und diese ins Lernmanagementsystem hochzuladen. Um diese Skripts ansprechend zu gestalten, muss sich der Parttime-Trainer unter anderem überlegen, welche Länge und Gliederung für den Text optimal ist und wie sich der Inhalt durch Piktogramme, Grafiken visualisieren lässt.
  • Wissensüberprüfungen erstellen: Um den Lerntransfer zu überprüfen, soll der Trainer zudem eine Wissensüberprüfung mit Multiple-Choice-Fragen erstellen. Dabei fragt er sich oft: Sind die Fragen zu leicht oder zu schwer? Für einen Themenbereich entwirft er zudem eine Fallarbeit. Die Teilnehmer sollen ihre Lösung als Dokument auf die Lernplattform hochladen. Binnen einer Woche sollen sie ein schriftliches Feedback erhalten.
  • Videos produzieren: Zur Begrüßung der Teilnehmer im Online-Seminar nimmt der Trainer ein Video mit dem Smartphone auf. Beim Hochladen stellt er fest: Das Bild ist verkehrt herum. Ein Kollege erklärt, dass man die Videos stets im Querformat aufnehmen muss. Außerdem weist er den Parttime-Trainer darauf hin, dass der unaufgeräumte Schreibtisch kein optimaler Hintergrund für ein Video ist. Der Trainer muss sich für künftige Videos ein passendes Setting überlegen.
  • Betreuung beim Online-Lernen: Der Trainer möchte in der Online-Phase für die Teilnehmer ansprechbar sein. Also bietet er ihnen an, ihm im Lernmanagementsystem online Fragen zu stellen. Doch leider hat er erst zwei Wochen später wieder Zeit, in das Forum zu schauen. Dabei bemerkt er, dass einige Teilnehmer fast schon ebenso lange auf eine Antwort auf ihre Fragen warten, denn er hat im System die automatische Benachrichtigung bei neuen Posts nicht aktiviert.
  • Klare Vorgaben machen: Auch die ersten Rückmeldungen zu der Fallarbeit überraschen: Manche Teilnehmer schreiben drei Sätze, andere fünf Seiten. Der Trainer erkennt, dass er genauere Vorgaben machen muss, wie lang die Texte der Teilnehmer sein sollen. Das Unternehmen wünscht außerdem, dass die Arbeiten im Lernmanagementsystem in Prozent bewertet werden, damit man den Seminarerfolg der Teilnehmer beurteilen kann. Der Trainer muss sich ein klares, transparentes Bewertungsschema für die Fallarbeit überlegen und den Teilnehmern das Schema vorab mitteilen.
  • Schriftliches Feedback geben: Auch das versprochene schriftliche Feedback ist keine leichte Aufgabe. Der Trainer muss dabei einerseits die Feedbackregeln beherzigen und sich andererseits so klar ausdrücken, dass die Teilnehmer verstehen, was gemeint ist. Die schriftliche Ausarbeitung des Feedbacks dauert daher länger als gedacht. Hierfür muss er also mehr Zeit einplanen.

Die Einführung von Blended Learning ist ein Change-Projekt, das professionell gemanagt werden muss

Mit solchen technischen, methodisch-didaktischen, aber auch (selbst-)organisatorischen Fragen und Problemen kämpfen Trainer und Wissensvermittler, wenn ein Unternehmen beschließt, das Online-Lernen in der Organisation zu forcieren, und künftig bei der Personalentwicklung verstärkt auf Blended Learning setzt. Trainer benötigen Unterstützung, um auch künftig ihre Aufgabe professionell wahrzunehmen. Nicht bewusst ist ihnen oft, dass die Trainer u.a. in folgenden Bereichen neue Kompetenzen bzw. Skills brauchen:

  • Digitaltechnik: Die Trainer müssen die Möglichkeiten, die ihnen und ihrem Unternehmen die neuen, digitalen Lerntechnologien bieten, realistisch einschätzen können und die Technik professionell nutzen können.
  • Selbstverständnis: Die Trainer müssen sich – ähnlich wie die Teilnehmer – als Lernende begreifen, die ihr (bisheriges) Trainerverhalten reflektieren und in Teilen verändern sowie Schritt für Schritt den veränderten Rahmenbedingungen anpassen müssen.
  • Methodik und Didaktik: Die Trainer müssen u.a. einschätzen lernen, welche Lerninhalte und Skills mit Hilfe der modernen, digitalen Informations- und Kommunikationstechnik vermittelbar sind (und welche nicht). Sie müssen zudem die relevanten Inhalte so aufbereiten und präsentieren können, dass die Lernziele auch erreicht werden, obwohl das Lernen (zumindest teilweise) online und im Selbststudium erfolgt.
  • (Selbst-)Organisation: Die Trainer müssen u. a. ihren eigenen Arbeitsalltag so strukturieren können, dass sie die Lerner in ihrem Lernprozess – als Tutor oder Coach – unterstützen und begleiten können, obwohl diese beispielsweise an unterschiedlichen Orten und zu verschiedenen Zeiten lernen.,

Unternehmen sind daher gut beraten, ihren Trainern in einer Blended-Learning-Trainer-Ausbildung, in der sie auch die neue Lerntechnologie aktiv nutzen, die noch fehlenden Skills zu vermitteln. Bei den Trainern soll eine so große Verhaltenssicherheit im Umgang mit der neuen, digitalen Lerntechnologie entstehen, dass sie beim Online-Trainieren und -Coachen nicht primär mit der Technik kämpfen, sondern sich zu 100 Prozent auf den Lernprozess sowie die Lerner konzentrieren können.

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