Konfliktlotsen als erste Anlaufstelle

Die AUVA bildet derzeit österreichweit 100 Mitarbeiter zu sogenannten „Konfliktlotsen“ aus. Das MagazinTRAiNiNG hat bei Sabine Prohaska, die mit ihrem Unternehmen
seminar consult für die Ausbildung verantwortlich ist, nachgefragt, was hinter diesem Projekt steckt. (Artikel im Magazin TRAINING Nr. 4/ Juni 2015)

Frau Prohaska welche Idee steckt hinter diesem Projekt?
Ausgehend von einem erweiterten Verständnis von Prävention wird von der AUVA ein fairer, respektvoller Umgang miteinander am Arbeitsplatz als wesentliche Voraussetzung für Arbeitszufriedenheit der Beschäftigten angestrebt. Das Modell der Konfliktlotsen basiert auf dem Ansatz, Konflikte möglichst früh zu erkennen und diese nicht zu Lasten einer Konfliktpartei auszutragen. Frühzeitig erkannt und konstruktiv bearbeitet, bieten Konflikte die Chance, neue Sichtweisen, Methoden und Problemlösungen zu fördern. Mit diesem Ziel wurde das Modell im Rahmen einer Betriebsvereinbarung zwischen Betriebsrat und Führung der AUVA geregelt. Wir arbeiten seit einem Jahr an diesem Projekt mit und sind von der Unterstützung der Führung, des Betriebsrats und der Personalentwicklung begeistert. So wird wirklich nachhaltig an der AUVA internen Konfliktkultur gearbeitet.

Welche Rolle hat ein Konfliktlotse? Wann wird er aktiv? Wer wird Lotse im Unternehmen?
Konfliktlotsen sind speziell geschulte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aller Funktionsebenen der jeweiligen Einrichtungen. Sie sind Ansprechpartner zu unterschiedlichen konfliktbehafteten Themen und stehen beratend im weiteren Umgang mit der jeweiligen Situation zur Verfügung.

Konfliktlotsen nehmen in betrieblichen Konflikten eine unabhängige, neutrale (all-parteiliche) Rolle ein. Sie arbeiten abteilungsübergreifend. Sie geben kein Urteil ab und keine Lösung vor, sondern helfen den Betroffenen, selber Lösungen zu finden. Konfliktlotsen sollen die Führungskräfte und den Betriebsrat im Blick auf Konfliktbearbeitung entlasten.

Sie dienen als erste Anlaufstelle für Konflikte und geben dem Betroffenen Hinweise wie bzw. wer im konkreten Anlassfall eine entsprechende Hilfe sein könnte (zB:Arbeitsmediziner oder -psychologe, Präventionsteam, Betriebsrat, etc). Konfliktlotsen üben eine Art „Ersthelferfunktion“ aus. Sie sind eine Ergänzung zum Betriebsrat, zu Supervision oder Mediation.

Themen, Zielrichtung bzw. Entscheidung über weitere Vorgangsweisen geben die Betroffenen vor. Die Dienste der Konfliktlotsen werden freiwillig und vertraulich in Anspruch genommen.

Wie viele Tage dauert die Ausbildung und was sind die Inhalte?
Der Konfliktlotsen-Lehrgang bietet den angehenden Konfliktlotsen das notwendige Handwerkszeug, um ihre Aufgabe professionell übernehmen zu können. Er wurde von uns für das AUVA Projekt maßgeschneidert und besteht aus 5 Modulen (gesamt 10 Tage).

Wir haben die Ausbildung so konzipiert, dass sich die Teilnehmenden sowohl theoretisch als auch praktisch mit den Themen „Rolle des Konfliktlotsen“, Kommunikation/ Gesprächsführung“ und „Konflikt“ auseinandersetzen. Wir vermitteln ihnen wichtige theoretische Grundlagen und durch Fallbeispiele und Gesprächssimulationen eignen sich die angehenden Konfliktlotsen praktisch die Inhalte und Techniken an. Abgerundet wird die Ausbildung durch das Modul „Mobbing, Diskriminierung, sexuelle Belästigung, Sucht“. Hier erhalten die Teilnehmenden wichtige Hintergrundinformationen zu einzelnen konfliktbehafteten Bereichen.

Nach der Ausbildung können die Konfliktlotsen…

  • gemäß ihrer Rolle in Gesprächen agieren
  • Konflikte frühzeitig erkennen und analysieren
  • Ratsuchende im Blick auf geeignete Lösungsstrategien unterstützen
  • Zu einer besseren Akzeptanz von und einem konstruktiveren Umgang mit Konflikten beitragen.
  • Die Vertraulichkeit wahren

Kommt das einem Mediator nahe?
Die Konfliktlotsen in diesem Projekt arbeiten immer nur im 4 Augengespräch, also nur mit einer Person. Die dafür nötigen Gesprächsführungskompetenzen haben sie in der Ausbildung erlernt. Für eine Rolle als Mediator bräuchten die Konfliktlotsen zusätzliche Kompetenzen und somit eine weitere Ausbildung.

Warum genau 100 Lotsen? Das klingt nach einer enormen Anzahl.
Für die Ermittlung der Anzahl an Konfliktlotsen wurde ein Rechenschlüssel in Bezug auf die Gesamtmitarbeiterzahl der AUVA herangezogen, um eine optimale Verteilung in den österreichweiten Einrichtungen zu gewährleisten.

Autorin
Mag. Sabine Prohaska gilt als führende Expertin in der Vermittlung von Beratungs- und Trainingsskills. Ob es sich um die Ausbildung klassischer Trainer bzw. Coaches handelt oder um die Ausbildung von Mentoren, Konfliktlotsen etc., Sabine Prohaska und ihr Team liefern das entsprechende Know How – von der Projektberatung bei der Implementierung bis zur Schulung der Teilnehmenden.